Wann liegt eine sexuelle Belästigung vor?
Kürzlich beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) mit einer grundlegenden Abgrenzungsfrage im Sexualstrafrecht: liegt bereits eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 184i StGB vor, wenn ein bekleidetes Knie berührt wird oder ist dies nur eine bloße Ungehörigkeit?
Bei der Entscheidung dieser Frage hatte das Landgericht Detmold offensichtlich Schwierigkeiten. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Bedrohung und sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten.
Nach den Feststellungen des Gerichts setzte sich der zur Tatzeit angetrunkene Angeklagte in einem Zug neben die Zeugin und legte entgegen ihres Willens seine Hand auf ihr Knie. In diesem Verhalten sieht das Gericht eine sexuelle Belästigung. Gegen das Urteil richtete sich der Angeklagte gemeinsam mit seinem Rechtsanwalte mittels Revision.
Nach Ansicht des OLG Hamm hält die Verurteilung des Landgerichts wegen sexueller Belästigung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand und weist Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Anhand der getroffenen Feststellungen kann von einer Berührung der Zeugin in „sexuell bestimmter Weise“ – wie es § 184i Abs. 1 StGB fordert – nicht die Rede sein.
Grundsätzlich sollen von dem Tatbestand des § 184i Abs. 1 StGB nur Verhaltensweise wie das Berühren von Sexualorganen bzw. dem Gesäß oder das Küssen von Körperteilen erfasst sein, um bloße Ungehörigkeiten nicht zu pönalisieren. Dennoch können auch solche Berührungen, die äußerlich keinen sexuellen Charakter aufweisen, den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen. Hierfür ist erforderlich, dass ein objektiver Betrachter diese Berührung als sexuell motiviert auffassen würde und, dass der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Dass sich das Opfer sexuell bedrängt fühlte, ist für die Frage, ob ein Verhalten in sexuell bestimmter Weise vorliegt, hingegen nicht entscheidend. Zudem muss die Intensität der Handlung auch annähernd mit den o.g. Handlungen vergleichbar sein, damit der Tatbestand des § 184i Abs. 1 StGB nicht ausufert.
In dem vorliegenden Fall wies das Berühren des Knies schon äußerlich betrachtet keinen sexuellen Charakter auf. Auch unter Berücksichtigung aller Umstände konnte von einer Berührung in sexuell bestimmter Weise nicht ausgegangen werden. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergab sich ebenfalls nicht ohne weiteres, dass der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war. Außerdem ist das bloße Berühren eines bekleideten Knies mit den o.g. Verhaltensweisen gerade nicht vergleichbar, da dies einen viel geringeren Intimitätsgrad aufweist. Dies hätte schon das Landgericht erkennen müssen.
Folglich wurde die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Somit hatte die Revision hinsichtlich der Verurteilung wegen sexueller Belästigung Erfolg. Darin zeigt sich erneut, dass die Konsultierung eines erfahrenen Strafverteidigers für eine revisionsrechtliche Prüfung eines Urteils äußerst ratsam sein kann.
OLG Hamm, Beschluss v. 31.01.2019, 4 RVs 1/19