Anzeige wegen Vergewaltigung: Was passiert bei Aussage gegen Aussage?

Wenn eine Vergewaltigung zur Anzeige gebracht wird, handelt es sich oft um eine hochsensible Angelegenheit – sowohl für die betroffene Person als auch für die beschuldigte Person. Ein häufiger Fall in solchen Verfahren ist die sogenannte „Aussage gegen Aussage“- Konstellation. Doch was bedeutet das rechtlich, und wie gehen Gerichte mit solchen Situationen um?

Die Ausgangslage: Anzeige wegen Vergewaltigung

Eine Vergewaltigung (§ 177 StGB) ist eine schwerwiegende Straftat, die mit hohen Strafen geahndet wird. Betroffene Personen können Anzeige bei der Polizei erstatten, was ein Ermittlungsverfahren einleitet. Doch in vielen Fällen gibt es keine direkten Beweise wie Zeugen, Videoaufnahmen oder körperliche Verletzungen, die den Vorfall eindeutig belegen. Oft stehen sich dann nur die Aussage der betroffenen Person und die des Beschuldigten gegenüber – ein klassischer Fall von „Aussage gegen Aussage“.

Was bedeutet „Aussage gegen Aussage“?

„Aussage gegen Aussage“ bedeutet, dass das Gericht keine weiteren Beweise hat, um den Sachverhalt aufzuklären. Es steht die Aussage der Person, die die Straftat anzeigt, gegen die Aussage der Person, die beschuldigt wird. Diese Konstellation ist häufig in Fällen von Sexualstraftaten, da solche Taten oft unter Ausschluss Dritter stattfinden.

Wichtig: Aussage gegen Aussage bedeutet nicht, dass automatisch die Aussage des Beschuldigten bevorzugt wird oder dass die Anzeige keinen Erfolg haben kann. Vielmehr prüft das Gericht beide Aussagen äußerst sorgfältig.

Wie ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Wenn eine Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet wird, folgt zunächst ein Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft versucht, den Sachverhalt so umfassend wie möglich aufzuklären. Folgende Schritte sind üblich:

  • Vernehmung der betroffenen Person: Die anzeigende Person wird detailliert befragt, um die Umstände, den Ablauf und die möglichen Beweise zu klären. Hierbei ist Sensibilität seitens der Ermittler gefragt.
  • Vernehmung des Beschuldigten: Auch der Beschuldigte wird angehört und kann sich zu den Vorwürfen äußern oder schweigen.
  • Suche nach weiteren Beweismitteln: Dazu gehören medizinische Gutachten, Chatverläufe, Zeugenhinweise oder Aufnahmen, sofern vorhanden.

Wenn es keine weiteren Beweise gibt, bleibt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Beteiligten entscheidend.

Glaubwürdigkeit der Aussagen: Wie entscheiden die Gerichte bei Aussage gegen Aussage?

In einem Gerichtsverfahren prüft das Gericht die Aussagen sehr genau. Dabei spielt die Glaubhaftigkeit der Schilderungen eine zentrale Rolle. Hier einige Kriterien, die Gerichte berücksichtigen:

  • Konsistenz der Aussage: Ist die Aussage in sich schlüssig? Gibt es Widersprüche innerhalb der Schilderung?
  • Detaillierungsgrad: Enthält die Aussage konkrete Details, die nicht leicht erfunden sein könnten? Sind bestimmte Reaktionen oder Umstände nachvollziehbar beschrieben?
  • Belastungstypische Merkmale: Zeigt die betroffene Person emotionale Reaktionen, die typisch für belastende Erlebnisse sind?
  • Motivation zur Falschbeschuldigung: Gibt es Hinweise darauf, dass die anzeigende Person ein Motiv für eine Falschbeschuldigung haben könnte (z. B. Streit, Rache, etc.)?

Auch die Aussage des Beschuldigten wird geprüft. Die Frage ist, ob seine Darstellung glaubwürdig und konsistent ist.

Beweislast und Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“

In einem Strafverfahren gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Das bedeutet, dass der oder die Angeklagte nur dann verurteilt werden kann, wenn das Gericht von seiner Schuld überzeugt ist. In Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen ist es daher besonders schwierig, eine Verurteilung zu erwirken, wenn die Aussagen der Beteiligten gleich stark erscheinen.

Beispiel:

  • Wenn die Aussage der anzeigenden Person widersprüchlich oder nicht plausibel erscheint, wird das Gericht eher zum Freispruch neigen.
  • Umgekehrt kann eine detaillierte, konsistente und glaubhafte Aussage der betroffenen Person auch ohne weitere Beweise ausreichen, um den Beschuldigten zu verurteilen.

Was passiert, wenn es keine Beweise gibt?

Auch ohne Beweise ist eine Verurteilung möglich, wenn das Gericht die Aussage der betroffenen Person als glaubhaft ansieht. Es kommt auf die Qualität der Aussage an.

Kann man wegen Falschbeschuldigung belangt werden?

Ja. Wer wissentlich eine falsche Anzeige erstattet, kann wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) strafrechtlich belangt werden. Dies ist jedoch eher selten der Fall, da die meisten Anzeigen ernst gemeint sind.

Wie wird die anzeigende Person geschützt?

Im Ermittlungsverfahren und vor Gericht gibt es Maßnahmen, um die betroffene Person vor zusätzlicher Belastung zu schützen, z. B. Videovernehmungen oder getrennte Anhörungen.

Aussage gegen Aussage – Chancen und Herausforderungen

Eine Anzeige wegen Vergewaltigung ist auch bei einer Aussage-gegen-Aussage-Situation keineswegs aussichtslos. Es kommt auf die Glaubwürdigkeit und Konsistenz der Aussagen an. Die Gerichte haben die schwierige Aufgabe, beide Seiten unvoreingenommen zu bewerten und zu entscheiden, ob die Vorwürfe bewiesen werden können.

Wenn Sie selbst betroffen sind – sei es als anzeigende oder als beschuldigte Person – sollten Sie unbedingt einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuziehen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Rechte gewahrt werden und Sie im Verfahren angemessen unterstützt werden.

Über den Autor

ANWALT FÜR SEXUALSTRAFRECHT: RECHTSANWALT UND STRAFVERTEIDIGER DR. BÖTTNER

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dr. Böttner ist seit mehr als 15 Jahren erfolgreich als Spezialist für Sexualstrafrecht tätig. Er ist ein bundesweit häufig angefragter Experte auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts. Er verteidigt und berät bundesweit gegen alle Vorwürfe aus dem Sexualstrafrecht.

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