Sexueller Missbrauch von Kindern durch verbale Äußerungen?

Eine gute Verteidigung gegen den Vorwurf sexueller Missbrauch von Kindern erfordert neben Erfahrung auch häufig besonderes Fingerspitzengefühl. Nach § 176 StGB wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt. Dabei ist es nicht immer einfach, zu bestimmen, ab wann genau eine sexuelle Handlung anzunehmen ist. Grundsätzlich kann es im Einzelfall bereits strafbar sein, auf ein Kind mittels Kommunikationstechnologien einzuwirken, um dieses zu sexuellen Handlungen zu bringen. Auch das Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder das Zugänglichmachen pornographischer Inhalte steht in Deutschland bereits unter Strafe gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB.

Mit der Frage, wann § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB einschlägig ist, musste sich nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) befassen. Das Landgericht Rostock hatte den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein.

Der Angeklagte soll ein 11-Jähriges Mädchen auf der Straße angesprochen und ihr gegenüber geäußert haben: „Ich will dir an die Muschi fassen“ und „Ich will dich ficken.“ Der BGH stellte fest, dass die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 4 StGB keinen Bestand haben kann, da die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch nicht tragen würden:

Verbale Einwirkung hoher Intensität nötig

Die Tathandlung nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB setzt laut BGH voraus, dass der Täter durch „entsprechende Reden“ auf ein Kind „einwirkt“. Mit dem Merkmal „entsprechende Reden“ sind Äußerungen gemeint, die nach Art und Intensität pornographischem Material – insbesondere pornographischen Darstellungen – entsprechen. „Einwirken“ bedeutet dabei eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art. Bloße sexualbezogene oder grob sexuelle Äußerungen genügen ebenso wenig zur Tatbestandsverwirklichung wie kurze, oberflächliche Gespräche. Gemessen hieran erfüllt die einmalige Äußerung des Angeklagten gegenüber dem 11-jährigen Mädchen, „an ihre Muschi fassen“ bzw sie „ficken“zu wollen, nicht den Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB. Zwar war die Äußerung gegenüber dem unbekannten Kind sexuell motiviert, jedoch lag darin keine verbale Einwirkung, die nach Art und Intensität der Demonstration pornographischen Materials vergleichbar gewesen wäre.

Tatbestand der Beleidigung ebenfalls nicht erfüllt

Die Äußerung des Angeklagten gegenüber dem 11-jährigen Kind führt auch nicht zu einer Strafbarkeit wegen sexueller Beleidigung gemäß § 185 StGB. Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass § 185 StGB Schutz vor Angriffen auf das Rechtsgut der Ehre gewährt. Eine ehrverletzende Kundgabe von Missachtung liegt regelmäßig nicht allein in der sexuell motivierten Äußerung des Täters. Denn allein die sexuelle Motivation des Täters, mit der er den Betroffenen unerwünscht konfrontiert, genügt für die Annahme der Beleidigung noch nicht.

Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des Landgerichts Rostock teilweise aufgehoben und der Angeklagte bezüglich § 176 Abs. 4 Nr. und § 185 StGB freigesprochen.

BGH, Beschluss vom 02.11.2017, Az.: 2 StR 415/17

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