Fortgeschrittenes Alter kann zu milderer Strafe führen
Alter schützt grundsätzlich nicht vor Strafe. In manchen Fällen kann das Alter zum Tatzeitpunkt aber doch eine erhebliche Rolle spielen. Schon vor Jahren entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass das fortgeschrittene Alter bei Ersttätern im Bereich des Sexualstrafrechts besonderer Beachtung bedarf. Wenn ein Angeklagter im sexuellen Bereich zuvor noch nie auffällig geworden ist, muss gesondert erörtert werden, ob der Angeklagte bei Begehung der Tat unter erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) litt, weil sich altersbedingt psychische Veränderungen bei diesem eingestellt haben. Ist dies der Fall, kann die Strafe gemildert werden.
Die Rechtsprechung des BGH wird allerdings in der Praxis von den Gerichten häufig nicht umgesetzt. Allzu oft erfolgt keine Prüfung der Schuldfähigkeit bei Ersttätern im vorgerückten Alter. Dies führt in vielen Fällen zu einer erfolgreichen Revision.
So geschah es auch bei einem aktuellen Fall vor dem Landgericht Dresden. Das Gericht verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern in einer Vielzahl von Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Gericht berücksichtigte das Alter des Angeklagten – der zu Beginn der Missbrauchsfälle schon 63 Jahre alt war – nicht gesondert, obwohl dieser im sexualstrafrechtlichen Bereich zuvor noch nie in Erscheinung getreten war. Außerdem litt der Angeklagte schon einige Jahre vor den Taten an Depressionen, was schon für eine altersbedingte psychische Veränderung des Angeklagten spricht. Das Landgericht hätte daher eine umfassende Prüfung der Schuldfähigkeit durchführen müssen.
Aus diesen Gründen folgte der BGH der Revisionsbegründung des Strafverteidigers und hob das Urteil des Landgerichts im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Der Angeklagte darf nun auf eine erheblich mildere Strafe hoffen, sofern die verminderte Schuldfähigkeit durch einen Sachverständigen bestätigt wird. Möglicherweise kann sogar die Gefängnisstrafe abgewendet werden.
BGH Urteil v. 13.10.2005, 5 StR 347/05